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Salafismus
Seit einigen Jahren ist in Deutschland und Europa eine wachsende salafistische Szene aktiv, die verstärkt Jugendliche anspricht. Sie bewegt sich zwischen dem politisch-extremistischen und jihadistisch-militantem Spektrum. Die Übergänge können hier fließend sein. Diese subkulturelle Szene wird – in Abgrenzung zu historischen Vorläufern und apolitischen Strömungen des Salafismus – auch Neosalafismus genannt.
Hier ist ein differenzierter Blick notwendig. Der zeitgenössische Salafismus ist keine homogene Strömung, sondern umfasst sowohl apolitische wie politische, gewaltlose wie militante Anhänger. Man unterscheidet hier üblicherweise zwischen drei Strömungen: dem puristischen Salafismus, dem politischen Salafismus und dem Jihadismus.
Puristen richten ihre religiösen Ansprüche an sich selbst und verfolgen keine politischen Ziele, zum Teil sind sie explizit apolitisch. Gewalt lehnen sie ab. Ihr persönliches Streben nach einer ‚reinen Religion‘ nach dem Vorbild der Altvorderen steht unter dem Schutz von Artikel 4 des Grundgesetzes (Religionsfreiheit). Der politische Salafismus hingegen wendet sich in den öffentlichen Raum und fordert eine Anwendung seiner Glaubensgrundsätze auf das öffentliche und politische Leben. Diese Strömung bewegt sich im Bereich des religiös begründeten Extremismus. Ein Großteil der Szene ist nicht offen gewaltbereit, einige aber gewaltbefürwortend. Explizit bereit, ihre Überzeugungen mit Gewalt durchzusetzen, ist nur die kleine Gruppe der militanten Jihadisten, die aufgrund ihrer Brutalität und ihrer Rolle im Syrienkonflikt häufig im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen. Für sie steht der bewaffnete Kampf im Zentrum des Handelns und Denkens. Sie bewegen sich klar im Bereich Terrorismus, definiert als Gewalt und kriegerische Aktionen gegen eine Gesellschaft und/oder politische Ordnung.
Die Attraktivitätsmomente des Neosalafismus lassen sich mithilfe der Formel WWWGGG erklären: Die Suche nach Wissen über den Islam und der wahren Religion, Werte, die ein klares Weltbild widerspiegeln, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die Gehorsam gegenüber strengen Regeln übt und für Gerechtigkeit einsteht.
All diese Bedürfnisse haben mit Religiosität eher weniger zu tun und bieten dadurch Handlungsmöglichkeiten in der Prävention. Hier könnte die Frage lauten: Was können wir den Jugendlichen bieten, was Salafist/innen nicht können?
Die neosalafistische Szene ist die am schnellsten wachsende Szene in Deutschland. In der gesamten Bundesrepublik wurden im Jahr 2011 noch knapp 3800 Personen der neosalafistischen Szene zugeordnet, so sind es Ende 2016 knapp 9200 Personen. Nordrhein-Westfalen gehört zu den Bundesländern, in denen die Szene am größten ist. Im Jahr 2011 zählte man in NRW bis zu 500 Anhänger/innen und Ende 2016 über 3000 Anhänger/innen.
In Deutschland gibt es derzeitig weder einen einheitlichen Dachverband noch eine politische Partei, die die Interessen der Szene widerspiegelt. Sämtliche Versuche sind, aufgrund von ideologischen Differenzen innerhalb der Szene, gescheitert.
In NRW setzt sich die Szene aus unterschiedlichen Vereinen, Netzwerken und der lokalen Szene zusammen. Ihre Finanzierung läuft zum Teil über ausländische Geldgeber und Spendenaktionen.
Der Salafismus ist eine Strömung des sunnitischen Islam, die religionshistorisch betrachtet verschiedene Quellen und Ausprägungen hatte. Im heutigen Verständnis ist ein/e Salafist/in jemand, der/die nur den Koran und die Prophetentradition als legitime Quellen eines authentischen Islam anerkennt und sich in eigener Lebensweise, Kleidung und Verhalten an den ersten drei Generationen nach dem Propheten Mohammed orientiert. Hieraus leitet sich auch der Begriff ab; Salafismus kommt vom Arabischen as-salaf as-salih (السلف الصالح), in etwa übersetzbar mit Die ehrwürdigen Altvorderen.
Der zeitgenössische Salafismus ist dabei im Wortsinn fundamentalistisch, das heißt er vertritt ein wortwörtliches Verständnis der islamischen Quellen und lehnt moderne Interpretation ebenso ab wie klassische Koranexegese. Mit diesem Selbstverständnis als Vertreter/innen einer ‚unverfälschte‘ Lehre und Lebensweise, dem Selbstbild als „wahre Muslim/innen“ und dem fundamentalistischen Quellenverständnis einher geht ein exklusiver Wahrheitsanspruch und die Ablehnung anderer Heilswege und Glaubensrichtungen – nichtmuslimischer als auch muslimischer.
Über Extremismus oder Gewaltbereitschaft sagt diese ganz allgemeine Definition von Salafismus aber zunächst nichts aus.
Der Begriff Extremismus beschreibt politische Einstellungen und Bestrebungen, die sich feindlich gegen den demokratischen Verfassungsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung richten, diese beseitigen oder in ihrem Sinne verändern wollen.
Neben Formen des politischen Extremismus gibt es auch religiös begründeten Extremismus, der antidemokratische Einstellungen und Bestrebungen religiös legitimiert sieht. Eine Form des religiös begründeten Extremismus ist der sogenannte ‚Islamismus‘ – ein Begriff, den viele aufgrund seiner sprachlichen Nähe zum Islam als Religion ablehnen. Hier handelt es sich um „Bestrebungen zur Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen die als islamisch angesehen werden“ (Tilmann Seidensticker). Mit solchen Zielstellungen treten in den letzten Jahren verstärkt die sogenannten ‚Salafisten‘ in Erscheinung.
Rechtsextremismus
Gewalt gehört zum Rechtsextremismus – sie leitet sich ab aus der Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen und richtet sich mit unterschiedlicher Motivation gegen all jene, die in ihrem Denkmuster als „minderwertig“ gelten. Rassistisch motivierte Gewalt wie durch die Terrorgruppe NSU, antisemitische Gewalt sowie Angriffe auf Geflüchtete sind dabei ebenso Teil rechtsextremer Handlungen wie Gewalt gegen Lesben und Schwule, Behinderte oder Obdachlose. Aber auch abseits körperlicher Gewalt verletzen verbale Hetze, Anfeindungen und Bedrohungen durch rechtsextreme Gruppierungen das Gebot der Menschenwürde und vergiften das gesellschaftliche Klima.
Eine weitere Gefahr, die von der rechtsextremen Szene ausgeht, besteht darin, dass sie (insbesondere im Internet) immer geschickter agiert. Sie wissen die Möglichkeiten der Sozialen Netzwerke immer besser zu nutzen und verpacken ihre Ideologie zum Teil in subtiler oder vermeintlich witziger Form – in Bildern, Memes und Hashtagkampagnen. Die dahinterstehenden Einstellungen sind dann (nicht nur für Jugendliche) nicht immer sofort erkennbar. Dann besteht die Gefahr einer Ideologisierung und schleichenden Bindung an die Szene.
Das rechtsextreme Spektrum besteht aus vielen verschiedenen Gruppen und Strömungen, die sich in ihrer ideologischen Ausrichtung unterscheiden – und die zum Teil kooperieren, teils konkurrieren oder sich sogar gegenseitig bekämpfen. Nach aktuellen Schätzungen gehören in Deutschland rund 22.600 Menschen zum rechtsextremen Spektrum. Während ihre Anzahl seit 2008 stetig gesunken war, ist seit 2015 erstmals wieder ein Anwachsen der Szene zu beobachten. Rund ein Drittel ist Mitglied in rechtsextremen Parteien wie z.B. der NPD, Die Rechte, Pro NRW oder Der III. Weg. Ein Viertel gilt als „Neonazis“ und ist in regionalen Zusammenschlüssen wie Kameradschaften organisiert. Rund 14 Prozent sind in anderen rechtsextremen Organisationen aktiv. Von den 22.600 Rechtsextremen gelten 11.800 als gewaltbereit oder gewaltorientiert.
In den letzten Jahren gewinnen vor allem solche Organisationen und Initiativen an Bedeutung, die jugendkulturell orientiert sind und über öffentlichkeitswirksame Aktionen und professionelle Social Media Arbeit gezielt junge Menschen ansprechen.
Rechtsextremismus ist ein Oberbegriff für politische Orientierungen, die den demokratischen Staat und die Gleichwertigkeit aller Menschen ablehnen. Die rechtsextreme Ideologie ist dabei eine Kombination unterschiedlicher Einstellungen menschen- und demokratiefeindlicher Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Chauvinismus (Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe) sowie Nationalismus und/oder Autoritarismus (Befürwortung einer Diktatur). Viele Rechtsextreme beziehen sie sich außerdem positiv auf den Nationalsozialismus und wollen nach dessen Vorbild eine autoritär geführte „Volksgemeinschaft“ errichten.
Der Begriff Rechtsextremismus ist in der Wissenschaft unter anderem deshalb umstritten, weil er suggeriert, dass menschen- und demokratiefeindliche Einstellungen nur bei einer kleinen, „extremen“ Randgruppe der Gesellschaft zu finden sind. Repräsentative Befragungen wie beispielsweise die sogenannte ‚Mitte-Studien‘ belegen aber leider immer wieder, dass bestimmte Elemente demokratie- und/oder gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind.
Ein Kernelement rechtsextremer Ideologie ist der Rassismus, der aber in unterschiedlichen Abstufungen bis in die Mitte der Gesellschaft verbreitet und im Alltag präsent ist. Rassismus bezeichnet dabei eine Einstellung, die Angehörige von Minderheiten nicht als Individuen sondern als Angehörige einer (ethnischen, kulturellen, religiösen) Gruppe behandelt – und unterstellt, dass sich aus dieser Gruppenzugehörigkeit unveränderliche und (meist) negativ bewertete Eigenschaften, Fähigkeiten oder Charakterzüge ableiten.
Anders als in unseren Nachbarstaaten besteht in Deutschland historisch bedingt eine besondere Scheu, den Rassismusbegriff auf aktuelle Phänomene anzuwenden. Stattdessen wird häufig von Ausländer- oder Fremdenfeindlichkeit gesprochen. Beide Begriffe sind historisch und inhaltlich unpräzise: Rechtsextreme hegen beispielweise keine Feindschaft gegen blonde Schweden, sehr wohl aber gegen Afrodeutsche – obwohl erste „fremd“ und „ausländisch“, die anderen jedoch Deutsche sind
Hate Speech
Laut aktuellen Umfragen erleben Jugendliche Hate Speech in besonderem Maße, rund 91 Prozent von ihnen geben an regelmäßig mit solchen Inhalten konfrontiert zu sein. Ihre Erfahrungen können aber sehr unterschiedlich sein, je nachdem ob sie persönlich betroffen oder Zeug/innen des Geschehens sind. Die pädagogische Auseinandersetzung mit Hate Speech ist dementsprechend vielschichtig. In der Praxis hat das Phänomen dabei eine große Nähe zum Thema Cyber Mobbing. Zwar unterscheiden sich die Phänomene im Kern, in der Prävention können die Übergänge aber fließend sein. Ziele von Präventionsansätzen im Bereich Cyber Mobbing – insbesondere die Förderung von Medien- und Sozialkompetenz – sind so in großen Teilen übertragbar.
Ergänzend kommt hier aber eine gesamtgesellschaftliche Perspektive hinzu. Die Auseinandersetzung mit Hate Speech muss daher über eine reine Medienkompetenz hinausgehen und Diskriminierung, Vorurteile und Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit in den Blick nehmen. Auch eine geschlechtersensible Pädagogik, die Genderfragen und Sexualität aller Geschlechter in den Blick nimmt, liefert einen wichtigen Baustein zur Prävention von Hate Speech. Dies gilt ebenso für interkulturelle Ansätze oder die Thematisierung von Glaubensfragen in der Arbeit mit Jugendlichen.
Hate Speech ist kein reines Internetphänomen, sondern greift reale demokratie- und menschenfeindliche Einstellungen auf, die nicht nur ein Problem rechtsextremer Szenen, sondern in Abstufungen auch bis weit in die Mitte der Gesellschaft verbreitet sind (siehe Rechtsextremismus). Besonderheiten der digitalen Welt können den Hass aber verstärken.
Die Schnelllebigkeit des Internets spielt hier eine große Rolle. Mit geringen Mitteln und wenig Zeitaufwand kann im digitalen Raum ein Massenpublikum erreicht werden. Zudem lässt sich ein Enthemmungseffekt beobachten. Meinungen, die im realen Leben nur von einer Minderheit offen vertreten werden, finden im Internet die große Bühne. Das liegt zum einen am fehlenden Gegenüber. Ohne die Reaktion des anderen, Mimik, Gestik und Zeichen der Angst oder Ablehnung, werden Dinge ausgesprochen, die in direkter Kommunikation kaum sagbar wären. Auch die Möglichkeit, anonym zu bleiben, und die Annahme, nicht zur Rechenschaft gezogen zu werden, tragen weiter zur Enthemmung bei. Aber es wird nicht nur anonym gehetzt, sondern zunehmend ganz offen mit Klarnamen. Dabei spielen sogenannte Filterblasen- und Echokammereffekte, also die Abschottung in homogenen digitalen Welten, eine entscheidende Rolle.
Was jemand als hasserfüllt wahrnimmt kann sehr unterschiedlich sein. Sehr wohl aber lassen sich einige sprachliche und inhaltliche Merkmale beobachten, die immer wieder auftauchen: Zum einen finden sich klassische Elemente der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, wie Verallgemeinerungen („Alle Griechen sind faul“), eine durchgängige Wir/Sie-Rhetorik („Wir gegen die“) oder eine Gleichsetzung von nicht Gleichsetzbarem (z.B. von Homosexualität mit sexualisierter Gewalt gegen Kinder). Herabwürdigende Vergleiche (z.B. von Religionen mit Seuchen oder Krankheiten) oder rassistische, sexistische oder homofeindliche Beleidigungen und Verunglimpfungen in Wort und Bild können ebenfalls Teil solcher Kommentare sein. Auch die Dehumanisierung beispielweise von Geflüchteten durch die sprachliche Gleichsetzung mit Naturkatastrophen („Asylantenflut“) oder Tieren („Viehzeug“) ist ein häufiges sprachliches Muster. Seit 2015 haben auch Verschwörungstheorien an Bedeutung gewonnen; Berichte von Straftaten durch Geflüchtete, die sich als erfunden herausstellten, oder Gerüchte, Geflüchtete müssten im Supermarkt nicht bezahlen, machten die Runde. Am Ende der Eskalationsspirale stehen die Befürwortung oder Androhung von körperlicher Gewalt sowie der Aufruf zu konkreten Straftaten.
Hate Speech unterscheidet sich im Kern von anderen Formen der digitalen Gewalt. Denn Cyber Mobbing, also eine digitale (oder digital fortgesetzte) Mobbingsituation, kann im Prinzip jede/r in gleichem Maße erleben. Auch einen Shitstorm kann jede/n treffen und der Ton im Internet ist insgesamt häufig rauer. All diese Phänomene sind insofern verwandt, als ihnen ein aggressives Verhalten im Netz zugrunde liegt, das andere schädigen soll. Hate Speech zielt dabei aber vorwiegend auf ganze Gruppen oder Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Sie erfahren eine Abwertung aufgrund ihrer vermeintlich nichtdeutschen Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, einer Behinderung, ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Hate Speech ist insofern eng verknüpft mit dem Konzept der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit.
In Kommentarspalten, Foren und Sozialen Netzwerken begegnet man, nicht erst seit der Flüchtlingskrise, massiv rassistischen und fremdenfeindlichen Hassreden. Aber auch Antisemitismus, Islam- und Muslimfeindlichkeit, Sexismus, Homofeindlichkeit und andere Formen der Abwertung finden im Netz die große Bühne – in drastischer Sprache, verbreitet über menschenfeindliche Bilder und Memes und zum Teil in Form konkreter Gewaltandrohungen. Für dieses vielschichtige Phänomen hat sich im deutschen Sprachgebrauch der aus dem US-Amerikanischen stammende Begriff Hate Speech (englisch für „Hassrede“) durchgesetzt. Er beschreibt allgemein abwertende, menschenverachtende und volksverhetzende Sprache und Inhalte insbesondere in den Sozialen Netzwerken. Hate Speech ist also eine Form der digitalen Gewalt, die das Ziel verfolgt, bestimmte Personen oder Personengruppen herabzusetzen oder zu verunglimpfen.
Der Begriff Hate Speech selbst ist dabei juristisch nicht definiert, sehr wohl aber können bestimmte Inhalte, die gemeinhin als Hate Speech bezeichnet werden, Tatbestände des Strafgesetzbuches (StGB) erfüllen, wie u.a. die der Beleidigung (§ 185 StGB), üblen Nachrede (§ 186), Verleumdung (§ 187), öffentlichen Aufforderung zu Straftaten (§ 111) oder der Volksverhetzung (§ 130).
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